Der Schwan aus menschlicher Sicht und entsprechender Deutung
|
Mensch und Schwan 2
Der Schwan gilt vielfach als ein ganz besonderes "Seelentier". Stolz wie er beim Schwimmen wirkt, überlegen, graziös, vor allem auch: gelassen, ein Meister der Langsamkeit, der Ruhe. Sein weißes Gefieder als ein Symbol für Reinheit, für Licht. Auch ein Symbol für Treue, denn ein Schwanenpaar bleibt sich in aller Regel ein ganzes Schwanenleben lang treu. Ein Beispiel für Fürsorge, denn Schwaneneltern bemühen sich vorbildlich um ihren Nachwuchs, lassen aber auch "los", sobald der Nachwuchs allein lebensfähig ist. (Also nichts wie beispielsweise ein "Hotel Mama" ...) Wer Schwäne lange beobachtet, dürfte oft auch ein Bild von Vollendung in sich zeichnen.
Wir kennen Schwäne aus Religionsgeschichten und Mythen als Begleittiere eines Gottes (Apollon, Brahma, Zeus als Schwan um Leda zu verführen ...). Dem Schwan wird vielfach Ahnungsvermögen (so z.B. nahenden Tod spüren; vgl. hierzu meine Anmerungen zu Paul Celans Gedicht "Schwanengefahr") zugeschrieben. (Daher vielleicht auch die Redensart "Mir schwant etwas.")
Während vielfach die männliche Kraft-Symbolik des Schwans im Vordergrund steht, so heben skandinavische und slawische Völker eher die weibliche Bedeutung des Schwans hervor (z.B. die Märchen von den Schwanenjungfrauen). Der Schwan, grundsätzlich ein Wasservogel, kann sich aber auch in der Luft bewegen, was immer wieder auch zu Verwandlungen von Menschen in Schwäne in der Mythologie führt. Schwäne haben schon immer die menschliche Vorstellungskraft und Intuition beeinflußt.
Der Schwan gilt als "Seelenvogel", repräsentiert innerliche und äußerliche Schönheit, zeigt Loyalität, weckt auch die weibliche Seele und versinnbildlicht männliche Stärke zugleich. Alles in allem scheint er den Glauben an das Gute zu stärken. Schamanische Krafttiere können als echte Tiere oder geistige Bilder erscheinen. Sie führen uns durch schwierige Zeiten, machen Mut. Diese eleganten Tiere können, läßt man sich auf sie tief bechaulich ein, positive Wandlungen bewirken. Wer eine Schwanenfamilie schon einmal bei einem (zwar eher selten zu beobachtenden) Umzug von einem Weiher zu einem anderen See beobachtet hat (siehe auch das Bild auf dieser Seite!), kann nicht umhin, einen gewissen Entdeckermut (und wohl auch etwas Mut zum Risiko) anzuerkennen, so dann daraus auch für sich selbst einen gewissen Entdeckergeist zu entwickeln ...
Man weiß (aus der Religion), daß Engel manchmal eine Schwanengestalt annehmen, um den Menschen die Botschaft vom Heiligen Geist zu verkünden, so eben halt der Volksglauben. In vielen Kulturen stehen Schwäne für Schönheit, Reinheit und Unschuld. Man kennt sie aber auch aus anderem Kontext: so flog Klara, die Schwanenkönigin der Walküren, in einem Schwanenfederkleid über ihre Gegner hinweg, um sie zu besiegen. Wir kennen aus der nordischen Mythologie den Schwan auch von den Wurzeln des Weltenbaums Yggdrasil und von Urds unterirdischen Schicksalsbrunnen. Der Schwan ist ein "Wundervogel der Legenden".
Wer einmal einen Schwan beim Start zu seinem Flug beobachtet hat, der weiß, wieviel Kraft es ihm zu kosten scheint, sein eigentliches Element Gewässer gegen die Luft einzutauschen. Der Schwan gehört zu den schwersten flugfähigen Vogelarten und wird bis zu 1,60 Meter groß. Schwäne können sehr gesellig sein, vor allem in der Zeit bis zur Geschlechtsreife (ca. 3 Jahre). Sind sie allerdings im Brutgeschäft, verteidigen Herr und Frau Schwan ihr Revier ganz vehement gegen Rivalen, auch gegen andere Wasservögel (ich beobachte immer wieder, daß sie vor allem auch Nilgänse aggressiv vertreiben). Schwäne haben vor allem in ihren Flügeln eine enorme Kraft! Als "Krafttier" zeigt der Schwan uns beispielhaft, wie wir neue Potenziale wecken, unsere Intuition stärken, ja auch Schmerz hinter uns lassen können. (Man muß nur einmal beobachtet haben, wie Schwaneneltern Angriffe auf ihre Jungen abwehren ..., ohne Rücksicht auf eigene Verluste!) Man sollte sich nicht täuschen lassen von der Ruhe, die Schwäne ausströmen; geraten sie oder ihr Nachwuchs in Gefahr, dann ist es mit der Gelassenheit schnell vorbei. Deshalb: stets gebührenden Abstand halten (Distanzverhalten respektieren!), Hunde an die Leine (oder besser: ganz fern halten!) und andere Störungen tunlichst unterlassen. Schwäne zeigen uns nicht nur innere und äußere Schönheit, sondern auch wie man sich bisweilen von vermeintlicher Schwere zu lösen vermag ... Wer da jedoch mit einem "Der Anblick eines Schwans erfreut, weiß und sanft geschwungenen Halses gleitet er über spiegelnde Oberflächen und kokettiert mit seinem eigenen Bild." (Der ambivalente Schwan. Michael Jakobs Studie über das lyrische Ich im Zeichen des Schwans. Von Irmgard Johanna Schäfer, in: literaturkritik.de, vom 1.10.2001, letzte Änderung vom 21.11.2016) aufwartet, der dürfte, was den letzten Teil der Aussage angeht, weniger die Schwanenwirklichkeit erklärt haben, sondern vielmehr eigenem Projektionsverhalten erlegen sein. Anders gewendet: Wer vermag es schon, sich in Denken, Fühlen, Zielsetzungen eines Schwans in, auf und um seinem Gewässer hineinzuversetzen ...
Zusammenfassend läßt sich sowohl aus mystischer, schamanischer Sicht als auch aus tatsächlichem Erfahrungshintergrund, aus dem eigenen Erleben, über den Schwan sagen: sie haben "ein tiefes Verständnis für unsere Wünsche, Bedürfnisse und Emotionen. Die Seelentiere sind Verbündete, Berater, Führer und Vertraute. Wenn Sie Ihr Krafttier finden, spiegelt es die archetypischen Aspekte Ihres Innenlebens und führt Sie durch die geistigen Welten. Das Krafttier Schwan hat eine große emotionale Bedeutung. Wenn der weiße Seelenvogel in Ihren Lebenskreis tritt, will er etwas zum Positiven verändern. Die Tiereigenschaften der Schwäne sind Treue, Ehrlichkeit und Loyalität. In der Krafttier Bedeutung reinigt der Schwan den Geist und schafft die Basis für ein neues, schönes Lebensgefühl."
Man schreibt dem "Tiergeist Schwan" folgende Eigenschaften zu: Befreiung von emotionalen und psychischen Altlasten, Hilfe bei Neustarts und Übergangsphasen, Seelenentwicklung durch spirituelle Lichtimpulse, Erinnern an den göttlichen Kern und starre Selbstbilder überwinden.
Auch für Martin Luther wurde der Schwan zum Symboltier. Angeblich hatte der als Vorreformator geltende Jan Hus (1415 während des Konzils von Konstanz als Häretiker ermordet), ehe er verbrannt wurde, gesagt: "Heute bratet ihr eine Gans (Anm.: tschechisch 'hus' bedeutet 'Gans'), aber aus der Asche wird ein Schwan auferstehen." Dieser Ausspruch wurde dann entsprechend auf Luther hingedeutet. Nach dem Tode Martin Luthers verbreitete sich das Bildmotiv "Luther mit dem Schwan" (die ersten Bilder stammen aus dem 16. Jahrhundert), man findet es immer wieder in den unterschiedlichsten Ausprägungen bei der künstlerischen Darstellung von Luthers Leben und Werk. Man kann es in vielen evangelischen Kirchen als Wand- und Emporenmalerei sehen, sogar vereinzelt auch als Skulpturenschmuck, so z.B. auf dem Altar der Martinikirche in Halberstadt. Auch die Einbände von Bibeln und Gesangsbüchern sind mit diesem Symbol verziert. Auf vielen lutherischen Kirchen kann man den Schwan auf der Kirchturmspitze sehen, besonders in Nordwestdeutschland und in den Niederlanden. Der "Lutherschwan" dient(e) auch dazu, die konfessionelle Abgrenzung zu den reformierten Gemeinden zu verdeutlichen. (Ausnahme davon: die reformierte Kirche in Groothusen, die einen Lutherschwan bekam.) Aber auch andernorts wie beispielsweise in Monschau (Eifel), in Wuppertal-Barmen, auf der Alten Kirche in Wupperfeld und auf der evangelischen Kirche in Sprockhövel-Haßlinghausen kann man diesen "Lutherschwan" sehen.
Die "Verwandlung" des Schwans oder in einen Schwan, sein Symbol für Reinheit, Treue, Eitelkeit und Metamorphose kennen wir ja bereits aus vielerlei Mythen und Erzählungen. Vielleicht ist auch Walter Senners "Die Liebe ist eine Schwanerei, denn sie macht aus einer Gans einen Schwan." ein Ausdruck der Symbolik für Liebe und Verwandlung, so wie sie oben mit Rückgriff auf Jan Hus und Luther dargestellt ist. Häufig steht der Schwan auch als ein Endglied einer "Verwandlungskette", wie z.B. Daphne, die sich zunächst in einen Lorbeerbaum verwandelte und schließlich dann in einen Schwan. Wenn gar (oft mit Gewalt -- so haben Hamburger Bürger früher den Schwänen schon mal die Flügel gebrochen, damit jene nicht wegfliegen können und die Bürger sich so auch während der Winterzeit an den Schwänen "erfreuen" können) die Schwäne ihres Wildtierdaseins beraubt werden -- aus welchen Gründen auch immer, angefangen von einer Befriedigung eigener "Nutzungsästhetik" bis hin zur Ausbeutung von Biotopen für kommerzielle oder freizeitbezogene Zwecke --, dann hat das mit Achtung vor der Schöpfung und mit dem Respekt vor dem Tier nichts mehr zu tun, sondern auf diese Weise wird alles menschlicher Egozentrik untergeordnet. Wenn Michael Jakob in seiner Studie über das lyrische Ich im Zeichen des Schwans über das Ideal der Schwanen-Pose feststellt, daß der Schwan "aggressive Selbstbehauptung" und ein "ästhetisch-kontemplatives" Bild in sich vereinigt, dann wird ihm jemand, der Schwäne immer wieder und über lange Zeiten beobachtet hat zustimmen können: freilich sind "aggressive Selbstbehauptung" nur dann festzustellen, wenn man den Schwänen ihre Sphäre zu beeinträchtigen versucht oder sie gar bedroht oder angreift. Ein aggressiver Schwan macht also in der Regel nur das, was für sein Überleben, für sein Dasein ihm zur Notwendigkeit gemacht gemacht wird. Läßt man Schwäne in Ruhe, läßt man sie ihre Kreise ziehen, respektiert man die für ihr Sicherheitsgefühl notwendige Distanz, wird man den Schwan ausschließlich friedfertig und -- wenn man es so ausdrücken will -- kontemplativ und ästhetisch erleben ...
Ich denke, Irmgard Johanna Schäfer hat in ihrer Rezension von Michael Jakobs Studie das Wesentliche, das Vielfältige, was Schwan in Literatur und Mystik angeht, hervorgehoben: "Über Hölderlin und Baudelaire schwingt sich das Buch zur "Demontage des Schwans" auf, wie sie in Heines "Memoiren des Herrn von Schnabelowski" berichtet wird. Die Hamburger Bürger brechen den Schwänen die Flügel, damit der Anblick dieser sie auch im Winter erfreuen kann. Damit wird der Schwan zur reinen Dekoration ohne seelische oder mystische Zugeständnisse. Den Schlusspunkt und sicher auch Höhepunkt des Buches bildet die Besprechung von Paul Celans "Schwanengefahr". Der traditionelle Schwan der Lyrik stellt sich in zweierlei Gestalt dar, einmal in der Gefährdung anderer (durch Schnabel und Krallen), wie auch im eigenen Gefährdetsein (Bedrohung). Mit Blick auf die bisherige Schwanentradition erschließt sich auch die Aufnahme des Schwanenmotivs in andere Gedichte Celans. An Stelle der Mystifizierung tritt Reduktion und radikale, einsame Kühle. Die unterschwellig schwere Schwanenmetaphorik in Celans Gedichten ist ein gelungener Abschluss für eine ins Kleine gehende Betrachtung des Schwans in der Literatur." (ebd.)
Was jedoch eigentlich jenseits aller Mystik, Deutung, Symbolik und wissenschaftlichem Forschungstreiben bleiben sollte: Wir sollten die Schwäne einfach bewundern, ungestört sie ihre Leben leben lassen und dazutun, daß ihre Biotope entsprechend erhalten bleiben, bewahrt werden!
|